Warum reagieren Menschen eigentlich so unterschiedlich auf Ereignisse in ihrem Umfeld? Warum ist der eine Mensch generell positiv eingestellt und der andere negativ? Warum gibt es die, die immer nur jammern, und die, die einfach eine Lösung suchen?
Es gibt viele schlaue psychologische Theorien dafür, aber Erlebnisse aus dem Alltag gehen einfach mehr ins Gedächtnis und bleiben eher hängen. Deshalb arbeite ich so gerne mit Beispielen.
Zwei Frauen verpassen ihren Zug. Sonja und Lara. Sie haben beide eine längere Reise mit verschiedenen Zügen angetreten, um eine Freundin zu besuchen und auf dem Rückweg passiert es: der erste Zug ist weg. Boah, das ist echt blöd, weil ja auch die nächsten Anschlusszüge dann nicht mehr zu erreichen sind und außerdem die Fahrkarte eventuell gar nicht mehr gilt. Kinder dabei, Hunger, müde und alles doof.
Sonja denkt sich: „Wundert mich ja nicht, dass mir das jetzt schon wieder passiert ist. Ist ja immer was. Ständig läuft was quer. So doof von mir, ich hätte eher auf die Uhr schauen sollen. Immer bin ich so langsam. Was für ne Katastrophe. Ich bin so eine richtige Schnarchkappe. Ob ich jetzt überhaupt noch einen Anschlusszug bekomme? Und dann kostet das auch wieder ne Menge Geld. Wenn ich meinen Mann anrufe, dass er mich erst später am Bahnhof abholt, dann ist das wieder ein Beweis für meine Unzuverlässigkeit. Darauf reitet der bestimmt wieder wochenlang rum. Menno, ich doofe Kuh!“
Lara denkt: „Na, das ist ja kein Wunder. Mir hat es dort so gut gefallen, dass ich mich gar nicht losreißen konnte. Dumm gelaufen mit dem Zug. Machen wir das Beste draus!“ Also: fröhliche Mini-Party im Servicecenter der Bahn, während der etwas langsame und bedächtige Herr Schnecke am einzigen geöffneten Schalter gefühlten achtzehn Kunden die Welt erklärt. Eine gut gelaunte halbe Stunde Wartezeit auf dem Bahnsteig, in der man noch quasseln kann und bei der Lautstärke dort sind sogar mitfahrende Teenager erträglich (vielleicht ein guter Platz für ne Geburtstagsfeier?). Tränen lachen über Teetropfen auf der Nase (gar nicht so einfach, aus einem To-go-Becher zu trinken) und liebevolle Umarmungen zum Abschied. Das Herz wird warm, wenn man hört: „Was wird es ohne euch langweilig!“ Im Zug dann gleich ein Erste-Klasse-Abteil belegen, Handys rausholen, sich über Steckdosen freuen, Kaffee bestellen und die Lautsprecherbox für die Musik auf den Tisch stellen. Selbst die Schaffnerin freut sich über die gute Stimmung und sucht gerne die nächsten Zugverbindungen raus. Auch kein extra Zuschlag aus Kulanz – es gibt sehr nettes Personal bei der Bundesbahn, das muss ja auch mal gesagt werden. In den Anschlusszügen ebenfalls gute Stimmung, Teenager im Chill-Modus, Fastfood auf dem Bahnsteig, ein gutes Buch und sogar saubere Toiletten. Liebevolle Aufmunterung per Facebook, wenn man sein Missgeschick in der genialsten aller Gruppen postet. Der Ehemann? Da er gar nicht damit gerechnet hat, dass Lara pünktlich ankommt, fällt ihm die Verspätung überhaupt nicht großartig auf.
Zwei Frauen – zwei Verspätungen. Sonja´s Erkenntnis: „Ich bin zu blöd zum Zugfahren!“ und eine dreitägige schlechte Laune. Lara´s Erkenntnis: „War ein toller Miniurlaub. Das müssen wir unbedingt wiederholen!“ Meine Erkenntnis: es gibt Fakten, die nicht zu ändern sind. Der Zug ist nun mal weg und der kehrt auch nicht um. Wie ich damit umgehe, das ist meine bewusste Entscheidung. Die eine Möglichkeit tut mir gut, die andere nicht. Warum sollte ich dann nicht mal die Möglichkeit mit dem guten Ausgang ausprobieren? Einfach mal das Beste aus den gegebenen Umständen machen und das Jammern vergessen. Gute Laune tut gut!
Ähnlichkeiten zu real existierenden Personen und tatsächlich vorgekommenen Verspätungen sind natürlich vollkommen zufällig…. Übrigens: ich fliege in zwei Wochen nach Spanien. Vielleicht sollte ich ein Reisetagebuch führen…
Wenn ihr mehr von mir lesen wollt, schaut euch doch mal meine Seite an: www.chaotisches-leben.com
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