Meditation für Coole Chaoten

Noch vor kurzem hätte ich selbst zum Thema Meditation folgendes gesagt: Meditation ist nichts für mich. Ich kann das nicht. So lange ruhig sitzen bleiben, das geht ja gar nicht. Das ist mir viel zu langweilig. Bringt ja auch nix. Ruhig sitzen, das ist doch öde. Außerdem habe ich ja gar keine Zeit für sowas. Ich muss wirklich produktive Arbeit leisten und nicht dumm rumsitzen.

Vor meinem inneren Auge erschien immer ein Bild von einem tiefgechillten Mönch, der über Stunden hinweg im Schneidersitz und mit undurchsichtiger Miene…. einfach nichts macht. Hört sich ja auch nicht so prickelnd an.

Irgendwann war das Thema in meiner Facebook-Timeline so präsent, dass ich es dann doch mal ausprobieren wollte. Aber zu meinen eigenen Konditionen. Aufrecht im Schneidersitz, boah, da tut mir doch in meinem gesegneten Alter schon nach zwei Minuten sämtliche Knochen und Verbindungen weh. Was ich aber richtig gut kann, ist auf der Liege liegen 🙂 Da bin ich ja sozusagen Vollprofi drin. Ich liebe meine Sonnenliege auf dem Balkon. Darauf könnte ich Stunden verbringen. Na, dachte ich, dann mach ich doch mal das, was ich so richtig gut kann. Wer sagt denn eigentlich, dass Meditation nicht auch in anderen Haltungen geht? Ich kleiner Rebell.

Nächstes Problem: ich habe gar keine Zeit dazu. Wo steht denn geschrieben, dass man mindestens eine halbe Stunde meditieren muss? Und selbst wenn, seit wann halte ich mich an sowas? Also gab es für mich erst mal Mini-Meditationen. 5 Minuten. Oder auch nur 3 Minuten. Wie es halt in meinen Alltag passt. Das kann ja schließlich nur ich selbst wissen und nicht der Meditationsprofi bei Youtube. Und als ich merkte, dass es mir einfach gut tut, waren es dann auf einmal 20 Minuten – mit Tendenz zu mehr. Einfach so. Ohne Anstrengung. Weil ich das so wollte.

Zuerst wusste ich gar nicht, wie schwer „Nichtstun“ ist. Ständig kamen mir irgendwelche nicht hilfreichen Gedanken dazwischen. Was muss ich denn nachher noch einkaufen? Was steht noch auf meiner Arbeitsliste? Wie viel Uhr ist es eigentlich? Was hat denn das mit Meditieren zu tun und was unterscheidet das ganze Gedöns denn von einem Grübel-Marathon? Und warum bin ich zu blöd dazu?

Bis ich es irgendwann verstanden habe. Genau DAS ist doch die Herausforderung. Diese Kunst, die Gedanken weiterziehen zu lassen. Liebevoll, ohne sich selbst dafür niederzumachen, dass man es wieder mal nicht hinbekommen hat. Ohne ihnen eine Bedeutung zu geben. Einfach nur wahrnehmen: „oh, ein Gedanke in meinem Gehirn. Der darf jetzt wieder gehen, weil ich ihn gerade nicht gebrauchen kann“. Und weil man nicht Nichtdenken kann, konzentriert man sich dann halt auf den Atem. Einatmen, Ausatmen. Das, was wir immer machen – aber halt unbewusst. Nun also bewusst: Einatmen – Ausatmen. Immer wieder. Weil aufhören ja blöde wäre.

Hä? So einfach? Das soll jetzt MEINE Interpretation von Meditation sein? Wie langweilig. Wie unspektakulär. Wie öde…. öde? Hm…. So oft, wie meine Gedanken abschweifen, ist es gar nicht langweilig und öde. Im Gegenteil, anfangs sprang ich gedanklich hyperaktiv hin und her. Ein Gedanke? Atme! Huch, noch ein Gedanke? Atme jetzt gefälligst! Ein Gedanke…… Und als ich es dann mal schaffte, mich tatsächlich zwei Minuten lang auf meinen Atem zu konzentrieren…. machte es plötzlich riesigen Spaß. So ganz ohne Überforderung und unerfüllbare Ansprüche. Ein paar Minuten ruhig sitzen, Augen zu und atmen, das kann ich. Das geht immer, auch im allerhektischsten Alltag, also auch in MEINEM Alltag. Und dann passierte was ganz Seltsames. Ich machte das öfters, weil ich merkte, dass es mir gut tat. Plötzlich war die Zeit dafür da. Irgendwie fand ich immer mal wieder zwischendurch ein paar Minuten. Und noch viel seltsamer: auf einmal war der Alltag gar nicht mehr so hektisch. Komisch! Ob es da eventuell und vielleicht einen Zusammenhang geben könnte?

In einigen Gesprächen mit anderen Frauen, auch mit gestressten Unternehmerinnen und befreundeten Psychologinnen, habe ich festgestellt, dass sie genau die Probleme mit Meditieren haben, wie ich sie auch hatte. Der eigene Anspruch ist zu hoch, weil man etwas Bestimmtes vor Augen hat (ohne zu hinterfragen, ob es in das eigene Leben überhaupt reinpasst) und man hat keine Zeit dafür. Keine Zeit – ich habe für mich festgestellt, dass es mich keine Zeit kostet, sondern mir Zeit bringt. Weil ich aus dem Stress-Automatismus rauskomme. Dazu genügen meistens ein paar kurze Minuten. Ich kann mich neu fokussieren und spare im Endeffekt sogar viel Zeit, weil ich mich nicht mehr mit unnötigem Arbeiten aufhalte. Ich lasse mich nicht mehr ablenken und konzentriere mich auf Tätigkeiten, die mich tatsächlich weiterbringen. Wenn mir das vor einem Jahr jemand gesagt hätte, hätte ich ihn laut ausgelacht. Ich und Meditieren. Nun, man kann es ja auch anders benennen, dann hört es sich vielleicht cooler an. Chillen oder so. Egal, diese Nicht-Tätigkeit, die am Ende doch eine Tätigkeit hat, fasziniert mich seither. Probiert es doch einfach mal aus – zu Euren Bedingungen. Und wenn es nur zwei Minuten sind. Zwei Minuten gehen immer.

 

www.gabischmitt.com

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